Tiefrote Trauben, knackige Haselnüsse, Käse und duftende Trüffel: das norditalienische Piemont ist ein Traumziel für Genießer und leidenschaftliche Köche. Was hier auf dem Teller landet, schmeckt frisch, intensiv und ist, das ist unübersehbar, fast immer mit Liebe zubereitet. Die Wege der Zutaten, die in Trattorien, Bars und Restaurants auf dem Teller landen, sind oft so kurz wie der Weg zum nächsten Bäcker. Wer hier speist, sitzt in der Regel inmitten von Einheimischen. Viele der regional typischen Gerichte lassen sich allein, zu zweit oder in großer Gesellschaft mit Freunden und Familie essen. Den meisten Speisen ist gemein, dass sie von erstaunlicher Einfachheit sind. Cucina Casalinga. Hausmannskost.
Typische piemontesische Gerichte sind Tajarin (gelb leuchtende Pasta mit vielen Eiern), Agnolotti al Plin (besondere gefüllte Ravioli) oder eben auch das Carne Cruda. Letzteres ist bei näherem Hinschauen eng mit dem bei uns gebräuchlichen Tatar verwandt.
Frische und Qualität der Lebensmittel machen aus jedem noch so kleinen Mahl ein kulinarisches Feuerwerk. Nur logisch, dass wir uns diesen Genuss auch für zuhause wünschen.
Einfach probieren
Unser Besuch in der Langhe, in der Bocciarda von Serafina Quota, beschert uns das große Glück einer eigenen Küche. Weil das Ferienhaus ein wenig abseits liegt und wir durch die Pandemie vorsichtig sind, beschließen wir ab und an zuhause zu kochen. Keine zwei Tage an den Wirtshaustischen in der Umgebung und unser Ehrgeiz ist geweckt. Da wird probiert, geschaut und nachgelesen. Und mit dem Metzger in Dogliani das passende Fleisch ausgesucht.
Das Rezept für Carne cruda ist so einfach: selbst ungeübte Köchinnen und Köche dürfen sich auf ein Erfolgserlebnis freuen. Zitronen, ein aromatisches Olivenöl, Salz und Pfeffer aus der Mühle und schon gehts los!

Vor- oder Hauptspeise? Egal: Carne cruda geht immer
Vorspeisen sind aus der piemontesischen Küche nicht wegzudenken. Sie werden in Restaurants und Bars zu fast jeder Tageszeit gegessen. So kann das frisch gehackte Carne cruda sowohl als kleiner Snack vorweg oder als Hauptgericht serviert werden. Entscheidend ist, dass das Fleisch besonders zart, entweder vom Rücken (Lende) oder aus der Oberschale ist.
Direkt im Piemont kauft man für Carne cruda ein Stück vom „Fassona Piemontese“. Diese spezielle Rinderrasse ist in der Provinz Cuneo und rund um Asti und Turin beheimatet. Die Tiere werden für die Milchwirtschaft und zum Schlachten gehalten. Besonders an ihnen: Das Fleisch der Fassona Piemontese enthält so gut wie kein Fett. Angeblich ist es sogar magerer als ein Stück Huhn ohne Haut.
In Deutschland gibt es Fleisch vom Fassona Piemontese nur sehr selten zu kaufen. Eine Alternative? Das Fleisch einer Faerse, ein sehr junges Kalb. Aber das muss man natürlich auch erst einmal übers Herz bringen.

Rezept für Carne Cruda (Piemontesisches Tatar)
Carne Cruda kann für eine oder mehrere Personen leicht zubereitet werden. Entscheidend ist die Menge an Fleisch pro Person. Alles andere ist eine Frage des Geschmacks.
Zutaten für Carne Cruda
So viel Fleisch rechnet man für eine Vorspeise: ca. 75 g pro Person
So viel Fleisch rechnet man für eine Hauptmahlzeit: 150 g Fleisch pro Person
1 Zitrone in Bio-Qualität
Außerdem: Knoblauch, frisch ausgepresster Zitronensaft, Salz, Pfeffer, Olivenöl
Frischer Rosmarin zum Dekorieren
Zubereitung
Im Gegensatz zum klassischen Tatar wird das Fleisch für Carne cruda nicht durch einen Wolf gedreht. Man hackt das Fassona Piemontese mit einem Messer so lange und so gründlich, dass es einer tatarartigen Masse gleicht. Wie fein die Stücke werden, hängt also von persönlichen Vorlieben und vom Fleiß ab. (Wir hatten Glück: Der Metzger hat unser Fleisch direkt im Laden vorbereitet.)

Die fertig gehackte Masse wird nach Geschmack mit Zitronensaft beträufelt und mit Salz und Peffer gewürzt. Die Bio-Zitrone wird in 0,5 cm dicke Scheiben geschnitten. Eine Schüssel oder ein Teller werden mit Knoblauch abgerieben. Dann legt man die Zitronenscheibe darauf und richtet das Carne cruda an. (Tipp: mit einer Flan-Form oder einer kleinen Schüssel lässt es sich einfach „in Form“ stürzen.)
Mit Salz, Pfeffer und hochwertigem Olivenöl würzen. Wahlweise einen kleinen Rosmarinzweig in das Fleisch stecken. In Italien stehen Salz, Pfeffermühle und Olivenöl immer auf dem Tisch. So findet jeder die für ihn perfekte Mischung.
Mit diesen Zutaten lässt sich Carne cruda aromatisieren
Zitronenschale, einer Spur Muskat, Cayennepfeffer, ein Hauch Macis (Muskatblüte) oder Piment. Hier gibt es keine festen Regeln. Erlaubt ist, was die piemontesische Landschaft hergibt. (Ein darüber geriebener Trüffel verfeinert im übrigen auch fantastisch…)
Und was gibts dazu?
Frisches Weißbrot, gegrilltes Gemüse wie Karotten oder Paprika, gehobelter Parmesan oder auch Trüffel
Besser für die Region, besser für alle
Wer sich im Urlaub rücksichtsvoll verhalten und etwas für die Region tun will, kauft am besten lokal. In den kleinen Metzgereien vor Ort oder an den Ständen, die auf den Wochenmärkten stehen. Mit jedem Kauf bei einem ortsansässigen Händler stärkt ihr die über Jahrhunderte gewachsene Infrastruktur in der Langhe und helft den kleinen Orten ihre ursprüngliche und von uns so geschätzte Struktur zu erhalten. Das klappt mit Fleisch, mit Gemüse, mit Fisch, Brot, Wein und frischer Pasta. Also kurz gesagt: immer! ;)
Abendessen in Roddino in der Bocciarda von Serafina Houses
Carne cruda in der Langhe essen
Natürlich müsste hier eine endlos lange Liste stehen. Ich nenne Restaurants und Bars rund um Dogliani in der Langhe, in denen wir bereits gegessen haben und in denen es mir gefallen hat. (Alle Besuche privat, ohne Einladung.)
Bar Riviera – Auf einem zentralen Platz in Dogliani. Hier trifft man sich morgens zum Espresso, zum Mittagstisch und später zum Apéro. Viele Einheimische. Das Essen ist einfach und gut. Die Preise sind günstig und man kommt sicher sehr bald wieder…
Piazza Umberto I, 19, 12063 Dogliani CN
Osteria dei Binelli – Typisches Familienrestaurant mit viel Platz und im Sommer mit großer Terrasse. Etwas abgelegen, daher nur mit dem Auto zu empfehlen. Ansonsten in schätzungsweise einer Stunde von Dogliani zu erlaufen. In jedem Fall den Weg wert. Sehr gute piemontesische Küche. Reichhaltig. Zutaten und Wein aus der Region. Inhabergeführt.
Borgata Pianezzo, 75, 12063 Dogliani CN, osteriadeibinelli.it
Il Verso del Ghiottone – Das Restaurant befindet sich in der Altstadt von Dogliani in einer malerischen Seitengasse und ist eigentlich ein Wohnhaus aus dem 18. Jahrhundert. Der gehobenen Küche entsprechend, ist die Atmosphäre eleganter. An den Wänden hängt Kunst. Die Bedienung ist freundlich. Auf der Karte finden sich piemontesische Gerichte, Fisch und Meeresfrüchte. Auch als Vegetarier*in wird man fündig. Für ein schnelles Essen zu schade. Zeit und Appetit mitnehmen.
Via Demagistris 5, 12063 Dogliani CN, www.ilversodelghiottone.it
È…DiVino – La Vineria – Zwei Frauen bewirtschaften diese wunderbare Weinbar in Serralunga. Sie ist leicht zu finden, weil sie an der Hauptstraße an einem kleinen Platz am Rande der Altstadt liegt. Auf der Terrasse vor dem Haus ist die Aussicht schön. Außerdem gibt es einen netten Innenhof. Wir waren bei Regen und im Dunkeln da. Auch nett. – Es gibt typisch piemontesische Küche, sehr individuell interpretiert. Köstlich beispielsweise ein spezielles Gemüseragout oder auch die Focaccia mit Schinken.
Piazza Maria Cappellano, 4, 12050 Serralunga d’Alba CN
