Eingang – MMM Ortles Sulden

Vom Berg verschluckt auf dem Weg zum Yeti: das MMM Ortles in Sulden

Die Temperaturen sind niedrig, die Umgebung rauh, die Berge schroff: wer Sulden (1900 m ü.M.) erreicht, hat den mediterranen Charme des Meraner Landes schnell vergessen. Hier oben spürt man unweigerlich das Gebirge. Ein leichtes Gefühl von Ohnmacht macht sich breit. Vielleicht ist es die Ehrfurcht vor dem gewaltigen Großen, die den kleinen Ort im Südtiroler Vinschgau zu einem besonderen Platz macht. Zu Füßen des Ortlers fühlt der Mensch sich klein und kann zur Ruhe kommen. Oder sich aufmachen das End‘ der Welt zu besuchen: das Messner Mountain Museum Ortles, das dritte von insgesamt sechs Museen des Bergsteigers mit dem Thema „Berge und Eis“.

„End‘ der Welt nannten die Suldner den Gletscher hoch über ihren grauen Schindeldächern. Die Bauern wussten, dass sie der Herrgott auf steinigen Nährböden in den hintersten Talwinkel gesetzt hatte, aber sie bissen sich innig wurzelnd fest wie eine Bergföhre, deren Samenkorn der Zufallswind ins Geröll verwehte.“

(Fritz Schmitt, Schriftsteller und Alpinist *Quelle: MMM Ortles)

Sulden Vinschgau Südtirol

Versteckt hinter Yak und Yeti

Wer das Museum besuchen möchte, muss aufmerksam schauen, denn ein monumentales Gebäude, von weither zu sehen, sucht der Gast vergebens. Statt dessen finden sich grüne Wiesen mit wilden Yaks und ein restauriertes Bauernhaus in direkter Umgebung. Das Tal, dem man eine Öffnung für die touristische Erschließung gar nicht absprechen kann: mehrere Hotels und modern konzipierte Herbergen geben Zeugnis davon, ist ländlich geblieben. Wer hierher kommt, sucht Abgeschiedenheit oder will auf den Berg. Angela Merkel, Markus Wasmeier und sogar der King of Pop, Michael Jackson wussten das neben vielen anderen bereits zu schätzen.

Reinhold Messner wäre nicht Messner, hätte er sich dieser Erschließung entzogen, einen verträglicheren Weg gesucht und letztlich auch gefunden. Wer den Briefkasten mit der Aufschrift Yak und Yeti entdeckt, ist am Ziel. Der Eingang zu dem kleinem Restaurant in einem ehemaligen Suldener Bauernhof flankiert gleichzeitig den Eingang zum MMM Ortles. Eintreten erwünscht: durch einen rostig braunen Schlund verschwindet der Gast wie verschluckt in einem Berg.

Für die ungewöhnliche Architektur des Museums zeichnet der Südtiroler Architekt Dr. Arnold Gapp, der Messner zunächst auf Reisen nach Tibet begleitete und dann mit ihm dieses spannende Konzept aus kaltem Sichtbeton entwickelte. Alte und neu hinzugekommene Gebäude auf dem Areal wurden in die Baumaßnahmen einbezogen.

Durch eine große Metalltür tritt man in das Museum ein, ein unterirdischer Bau, der sich im Inneren öffnet und so den Blick auf die Natur noch einmal freigibt.

Direkt hinter der Eingangstür wartet ein großer Raum auf den Besucher. Offene Regale für den Museumsshop, einige Bergsteigerutensilien (ohne die ein Messner Museum für mich auch nicht denkbar wäre) und dann geht es im Zick-Zack herunter, ganz so, als würde man sich nach und nach in eine Gletscherspalte begeben. Ein Eindruck der so gewollt ist und in den man sich beim  Anblick der Ausstellungsexponate sehr gut hineinversetzen kann.

An den Wänden hängen unzählige Bilder von Eis und Schnee, auf vielen von ihnen ist König Ortler zu sehen. Das Licht ist künstlich bzw. kommt durch einen Lichtschacht mit zackigem Verlauf von oben. Die Atmosphäre ist unterkühlt.

An einer Wand ist ein Fenster in einer Holzwand angebracht. Wer die Wucht eines Schneesturmes nachempfinden möchte, hält die Nase hinein.

Fenster – MMM Ortles Sulden

Der untere Bereich des Museums ist dem Yeti gewidmet. Dieses sagenumwobene Wesen, dem Messner 1998 ein Buch gewidmet hat und über dessen Existenz man noch immer streitet, darf in einer Sammlung über Eis und Schnee natürlich nicht fehlen.

Hier im MMM Ortles ist der Yeti ein ca. 2,20 m großer Tibetbär, der zuweilen beim Gehen die Hintertatze in den Abdruck der Vordertatze legt. So entsteht der Eindruck der Zweifüßigkeit. Ob das stimmt oder ob der Begründer des Yeti-Hypes Eric Shipton mit seiner Fotografie von großen Fussstapfen im Eis 1951 ein anderes Lebewesen dokumentierte, muss wohl letztlich jeder für sich allein entscheiden. Der hier ausgestellte Bär wurde von dem deutschen Biologen Ernst Schäfer präpariert. Messner hat ihn bewusst in einem blauen Licht und hinter Säulen im Museum versteckt. Der Mythos lebt.

Yeti – MMM Ortles Sulden
Yeti – MMM Ortles Sulden

„Im Himalaya hat die Mythologie einen hohen Stellenwert und die Einwohner differenzieren: wenn sie bei schönem Wetter, bei klarer Sicht das Tier sehen, ist es ein Bär. Wenn sie aber bei schlechter Sicht, Nebel, nur das Brüllen , das Geräusch hören, dann ist es der Dremo oder auch Chemo, ein „Wesen“.

Die Mär vom Dremo/Chemo ist so alt, dass die Einwohner des Himalaya diesem Wesen eigene Riten, Tänze, Masken dargeboten haben. Aus der Vernetzung von Mytologie und Wissenschaft ergibt sich das Phänomen des Yeti.“

Wer sich an Bergbildern, alten Skiern und guten Büchern zum Thema satt gesehen hat, dem sei ein Rundgang auf dem Panoramaweg empfohlen. Die Aussicht rund um Sulden ist zu jeder Jahreszeit schön. Fern halten sollte man sich jedoch von den Yaks. Die Tiere sind wild und mit einem Yak, der zwischen 5.000 und 8.000 € kostet, ist laut Museumsleiter Robert Eberhöfer, auch für Eingeweihte nicht zu scherzen.

→ Für eine Übernachtung empfehle ich das Hotel Nives, ebenfalls vom Architekten Gapp gestaltet, mit einer lichtdurchfluteten Bar und puristischen, harmonisch zur kargen Umgebung passenden Zimmern in unterschiedlichen Preiskategorien. www.sulden-nives.com

Buchtipp: Die Messner Mountain Museen von Andreas Gottlieb Hempel. Erschienen bei Callwey.


MMM Ortles | Sulden

Sulden 158 a c/o Yak & Yeti
I-39029 Sulden

Öffnungszeiten MMM Ortles
14 – 18 Uhr vom 2. Sonntag im Dezember bis 1. Mai und
vom 4. Sonntag im Mai bis zum 2. Sonntag im Oktober
13 – 18 Uhr im Juli und August
Letzter Einlass 17.30 Uhr
Dienstag Ruhetag


→ Das MMM Ortles habe ich anlässlich einer Führung der Tage der Architektur in Südtirol besichtigt. Zu diesen Tagen war ich von der IDM Südtirol eingeladen. Worüber ich berichte, ist mir überlassen. Alle Beiträge spielen meine persönlichen Eindrücke wieder.

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Charis

4 Kommentare zu “Vom Berg verschluckt auf dem Weg zum Yeti: das MMM Ortles in Sulden

  1. Ich finde die Gegend auch sehr schön, lässt sich sehr viel entdecken :) Letztes Jahr war ich in einem Hotel im Vinschgau für ein paar Tage. Neben Wandern haben wir auch einige Sehenswürdigkeiten und Museen besucht.

  2. Andreas Gottlieb Hempel

    Liebe Charis, danke für den schönen Bericht über das MMM Sulden. Danke auch, dass Du dazu mein Buch über die MMM erwähnst – leider ist darin nicht sein letztes Museum auf dem Kronplatz von Zaha Hadid enthalten, es wurde erst nach dem Erscheinen des Buches geplant und gebaut.
    Das Suldener Museum beeindruckt durch das Gefühl, dass man sich unter einem Gletscher bewegt, nur beleuchtet durch eine Gletscherspalte – eine geniale Idee des Architekten Arnold Gapp. Bei jedem seiner Museen hat Reinhold Messner andere Architekten beauftragt und somit zugleich eine beachtliche Gestaltsammlung moderner Museumsarchitektur geschaffen, die eine Reise wert ist.
    Liebe Grüße
    Andreas

    • Selbstverständlich habe ich Dein Buch erwähnt lieber Andreas. Vielleicht kommt ja irgendwann eine überarbeitete Version und Du nimmst das sechste Museum auch noch mit rein? Ganz liebe Grüße aus Hamburg, Charis

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