Filmregisseur Jens Meurer

Dokumentarfilm „An Impossible Project“ – Revival des Analogen im Südbahnhotel Semmering

Das Südbahnhotel Semmering befindet sich rund einhundert Kilometer südwestlich von Wien. Durch seine abwechslungsreiche Geschichte und den Charme eines „lost place" ist es der ideale Ort für die Filmaufführung von „An Impossible Project" von Jens Meurer.

An einen Ort zurückzukehren, an dem man einen ganz besonderen filmischen Moment erlebt hat, das passiert ganz gewiss selten.“ erzählt Filmregisseur Jens Meurer am Abend, als für ihn einer dieser besonderen Momente gekommen ist.  An einem Filmabend mit „An Impossible Project“.

Es ist ein nebliger und kalter Märztag 2022. Das legendäre, doch zur Zeit in einen Jahrhundertschlaf verfallene Südbahnhotel Semmering und die Wiener Ideenschmiede Supersense, die sich auf den Erhalt analoger Erlebnisse spezialisiert hat, veranstalten einen Filmabend. Vor geladenen Gästen wird mittels eines seltenen 35 mm Filmprojektors Jens Meurers Dokumentarfilm „An Impossible Project“ gezeigt.

Sogar einige der Protagonisten sind anwesend. Doch auch wenn Film und Schauspieler viel Glanz versprechen: Eine der Hauptattraktionen des Abends ist auf jeden Fall der Veranstaltungsort: Das sagenhafte Südbahnhotel am Semmering.

Das legendäre Südbahnhotel am Semmering in Niederösterreich.
Das legendäre Südbahnhotel am Semmering in Niederösterreich.

Kurz und knapp: Südbahnhotel Semmering – Ein exklusiver Veranstaltungsort

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Südbahnhotel Semmering
suedbahnhotel-semmering.at
Südbahnstraße 27, A 2680 Semmering

Das Südbahnhotel befindet sich südwestlich von Wien, etwa auf der halben Strecke zwischen Wien und Graz. Es liegt nahe der Grenze zur Steiermark im Bundesland Niederösterreich.

Link zu Google-Maps

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animpossibleproject.com

Regisseur / Produzent: Jens Meurer
Polyfilm, Wien
Musik: Sascha Peres
Mit: Florian Kaps, Oskar Smolokowski, Maria Sebregondi, Ilona Cerowska

Weitere Filme, die hier gedreht wurden: Schachnovelle (2021), Die Theorie von Allem 
Ein bekannter Gast war, neben vielen anderen, der Schriftsteller und Poet Peter Rosegger.

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Trailer zum Film „An Impossible Project“

Über die Südbahn in die Wiener Alpen zum Semmering

Schon die Anfahrt zum Südbahnhotel am Semmering, eine Autostunde von Wien entfernt, ist ein Erlebnis. Kurvenreich schlängelt sich die Straße fast tausend Höhenmeter hinauf. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln bräuchte man mehr als doppelt so lange. Ökologisch gesehen wäre die Anreise gesünder. Und wenn man bedenkt, dass das Haus einst von einer Eisenbahngesellschaft, der k.k.priv. Südbahn, erbaut wurde, liegt der Gedanke an die Anreise mit der Bahn sogar nahe.

Angesichts der Tatsache, dass die Rückreise mangels geeigneter Übernachtungsmöglichkeit am Abend erfolgen muss, ist dies jedoch keine Option. Schließlich hat das 1882 eröffnete und bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs legendäre Grand Hotel Südbahnhof bereits seit 1976 seine Pforten geschlossen.

Was lockt also die Cineasten in diese Region der sogenannten Wiener Alpen? Die Antwort bekommen wir beim Betreten des über 33.000 Quadratmeter großen Grundstücks. Der Hotelbau, mit einer Bruttogeschossfläche von 18.000 Quadratmetern ist gigantisch groß. Turmspitzen, Fachwerk, Holzbalkone und ein weithin sichtbares grünes Dach schenken dem Gebäude, dass durch unterschiedliche Geschosshöhen und Fassaden schwer zu fassen ist, etwas majestätisches, fast märchenhaftes. In seiner kompletten Größe wäre es nur durch eine Drohne oder Aufnahme aus der Ferne abzubilden. Doch bereits aus der Nähe ergeben sich viele spannende und beeindruckende Perspektiven.

Südbahnhotel am Semmering in Niederösterreich
Südbahnhotel am Semmering in Niederösterreich

Filmreife Kulisse: Der Charme eines historischen Grand Hotels

Von Bergen und Nadelwald umgeben, wirkt das durch den Späthistorismus beeinflusste Hotel, als sei es mit seiner Schließung in einen tiefen Schlaf gefallen. Wechselnden Eigentümern bis zum aktuellen Besitzer, der Wiener Christian Zeller Privatstiftung, ist es zu verdanken, dass die Bausubstanz dennoch in einer erstaunlich guten Verfassung blieb.

Schon von außen taucht der Schein der Kronleuchter im einstigen Speisesaal die Fenster in ein warmes Licht. So zieht es uns magisch hinein in das Gebäude. Fast scheint es, als würden wir von einer Kulisse des Wes Anderson Films „The Grand Budapest Hotel“ verschluckt. Ich muss an Bad Gastein denken.

Blick ins Fenster zum Ballsaal - Südbahnhotel am Semmering
Blick ins Fenster zum Ballsaal – Südbahnhotel am Semmering

Doch auch im Inneren des Südbahnhotels ist die Zeit stehen geblieben. Die Zimmer, die in großen Teilen noch möbliert sein sollen, können wir nicht besichtigen. Trotzdem spüren wir den einstigen Zauber in jeder Ritze.

Kunstvoll geraffte Gardinen, fantasievolle Tapetenmuster, ein eigenwilliges Podest mit Sesseln und Zeitungen aus den Fünfziger Jahren. Selbst die eilig installierten Handtuchspender aus Plastik und bereitgestellten Abfalleimer in den Sanitärräumen können nicht darüber hinwegtäuschen: Hier atmet jeder noch die Luft aus einem vergangenen Jahrhundert. Ich fühle mich, als hätten wir einen Timetunnel betreten und dürften für ein paar Stunden durch diese vergangene, uns fremde und gleichzeitig faszinierende Welt spazieren gehen. 

Dokumentarfilm „An Impossible Project“: Die Wiederentdeckung des Analogen

Dass „An Impossible Project“ die Wiederentdeckung des Analogen aufgreift, scheint an diesem Abend die einzig logische Konsequenz. Es erwartet uns eine Filmvorführung, die nicht digital, sondern mit riesigen Filmrollen abläuft, und ein Publikum, dem man die Freude über das reale Wiedersehen nach Monaten virtueller Kontakte deutlich anmerkt.

Doch worum geht es in Jens Meurers Dokumentation „An Impossible Project“?

Hier schließt sich der Kreis zwischen Film, Regisseur, Protagonist, der Filmmusik und dem Südbahnhotel. „Doc“ alias Florian Kaps ist Anfang der 2000er Jahre angetreten, den vermeintlichen Errungenschaften der digitalen Welt etwas entgegenzusetzen. Seine Begeisterung für analoge Fotografie, lässt ihn in den Augen unserer heutigen Gesellschaft viele verrückte Dinge tun. Eines der größten Abenteuer ist die Rettung der letzten noch verbliebenen Polaroid-Fabriken im niederländischen Enschede, 2008.

Doch der Deal erweist sich schnell als vermeintliche Katastrophe. Es stellt sich heraus, dass die Chemikalien für die Polaroid-Filme nicht mehr beschafft werden können. Neue Rezepturen müssen her, es gibt Rückschläge und nur wenige Erfolge, die Jens Meurer in „An Impossible Project“ eindrucksvoll begleitet.

„Doc" - Florian Kaps legt nach der Filmvorführung in der Hotellobby selbst Platten auf.
„Doc“ – Florian Kaps legt nach der Filmvorführung in der Hotellobby selbst Platten auf.

Alte Werte, neue Pläne – Doc / Florian Kaps erfindet sich neu

Wir wollen eine Zukunft neu denken. Für das Analoge in einer digitalen Welt. (Florian Kaps, „Doc“)

Im Gegensatz zum Märchen, endet die Dokumentation nicht damit, dass der Prinz am Ende auf einem Schimmel davon reitet. Auch wenn es die Kulisse des Südbahnhotels hergeben würde. Statt dessen nimmt die Geschichte eine erstaunliche Wendung. „Doc“, stets darauf bedacht, alle fünf Sinne „schmecken, riechen, fühlen, hören, sehen“ zu erhalten, muss sein Herzensprojekt an jüngere, wirtschaftlich orientierte Mitstreiter abgeben. Als das als Impossible Project gestartete Unternehmen tatsächlich wieder den Namen Polaroid nutzen darf, ist Florian, „Doc“ Kaps nicht mehr dabei, um den Erfolg zu feiern.

Er erfindet sich neu und verbindet mit dem venezianischen Dogenhof in Wiens zweitem Bezirk neue Ziele. 2014 eröffnet er ein Restaurant, das 2023 wieder schließen muss.

Supersense Wien

supersense.com
Praterstraße 70/1, 1020 Wien

Mehr Erfolg haben seine Projekte unter dem Namen „Supersense“. Es entsteht eine Parallelwelt, denn wie überall ist der Dogenhof als Headquarter von Supersense ein Ort, an dem Analog und Digital nebeneinander existieren.

Supersense hat eine Webseite, teilt Veranstaltungen und Angebote über Social Media und verschickt Einladungen per Mail. Trotzdem bleibt Supersense ein Ort, an dem die digitale Zukunft neu gedacht wird, immer darauf ausgerichtet analoge Werte zu erhalten.

Und weil Jens Meurer bekennt: „Meine Mission ist es, eine Einladung zu schaffen, diese wirklichen Dinge wieder zu spüren und zu nutzen und sie nicht aufzugeben.“ verfolgt er Docs Weg im Dogenhof filmisch weiter.

Die Idee, dass da jemand gegen den Strom schwimmt, dass er eine Vision hat, hat mich beeindruckt. (Jens Meurer)

„An Impossible Project“ gipfelt in einem Besuch im Facebook Headquarter im Silicon Valley, der für den einen oder anderen wie ein Tritt in die Magengrube wirkt. Wie sehr Florian Kaps die Zusammenarbeit mit dem Facebook Analog Research Lab überzeugt hat, kann ich nicht abschließend beurteilen.

Viel Raum für Emotionen: Das Südbahnhotel als Filmschauplatz

Rückblickend prägt sich eine Szene ein, auf die Regisseur Jens Meurer in seinen eingangs erwähnten Worten zur Rückkehr an einen besonderen Ort, eingeht. Bei einem von Supersense organisiertem Dinner im Ballsaal des Südbahnhotels finden sich mehrere Protagonisten des Films ein. Unter ihnen ist Maria Sebregondi, die mit ihren Moleskine-Notizbüchern* als eine Pionierin der Wiederentdeckung des Analogen gilt.

Als die amerikanische Sängerin Haley Reinhart zu den Klängen von Sascha Peres und Emily Fredrickson ans Mikrofon tritt, ist das ein Gänsehaut-Moment. Auch, weil Jens Meurer im Nachgang erläutert, dass die Musik live bei diesem Dinner aufgenommen wurde. Wir alle sind Zeugen der Rückkehr oder besser, des Weiterlebens des Analogen. Wie gut das tut, spüren wir im Speisesaal des Südbahnhotels. Romantisch bei Kerzenschein, genau in diesem emotional aufgeladenen Moment.

Hotels und Unterkünfte am Semmering *



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Restaurant Supersense - Dogenhof - Wien
Restaurant Supersense – Dogenhof – Wien

Danke an Ulla und Fabian von Schneeweis Wittmann, die uns zu diesem Abend mitgenommen haben. Hoteltipp in Wien: Das Hotel Altstadt Vienna.

Aktualisiert. Der Artikel erschien erstmalig am 07.04.2022.

Charis
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2 Kommentare zu “Dokumentarfilm „An Impossible Project“ – Revival des Analogen im Südbahnhotel Semmering

  1. Toller Einblick! Da würde ich auch gerne mal hin! Ich bin gespannt wie es mit dem Hotel weitergeht.

  2. Volkmar Kleint

    Wie wohltuend ein friedlicher Blick in gute Momente und Monumente der kulturellen Geschichte sein kann.
    Doppelt zu schätzen,wenn andererseits in kranken Wahnideen schwere alte Irrtümer mit Gewalt noch einmal heutigen Generationen aufgezwungen werden sollen.

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