Die Schwarzgeherin - Buchrezension von Valerie Wagner

„Die Schwarzgeherin“: Warum dieser Tirol-Roman dein nächstes Reiseziel bestimmen könnte

Die junge Theres riskiert im 19. Jahrhundert alles für ein selbstbestimmtes Leben und flüchtet schwanger in die Tiroler Hochalpen. Regina Denk erzählt mit bildgewaltiger Sprache eine Geschichte über Freiheit, Wilderei und weiblichen Mut. Ein Buch, das unter die Haut geht und noch lange nachhallt. Inspiration fand die Autorin in den Bergen. Wo, wird am Schluss verraten.

Eine Leseempfehlung von Valerie Wagner

Manche Bücher fesseln so sehr, dass man sie nicht aus der Hand legen kann. Der Roman „Die Schwarzgeherin“ von Regina Denk gehört für mich dazu. Ich habe ihn in wenigen Tagen verschlungen, obwohl ich normalerweise langsam lese.

Die süddeutsche Autorin entführt uns in die Tiroler Alpen des 19. Jahrhunderts. Der Wind pfeift kalt über die Gipfel, während eine junge Frau alles für ihre Freiheit riskiert.

Die Schwarzgeherin: Wilde Bergwelt und die Stärke einer Frau

Theres ist 18 und soll ihren Jugendfreund Leopold heiraten. Ein sicheres Leben als Bäuerin wartet. Doch Theres träumt von einem selbstbestimmten Leben. Als Xaver ins Tal kommt, verliebt sie sich Hals über Kopf. Doch Xaver ist nicht der, für den sie ihn hält. Nach seinem Verschwinden verkündet Theres, schwanger zu sein, und flüchtet in die Hochalpen, um ihre Tochter Maria fernab der Dorfgemeinschaft großzuziehen. 

Infos zum Buch: Die Schwarzgeherin

Autorin: Regina Denk
Erschienen 09/2024 im Droemer Verlag, 416 Seiten
ISBN: 978-3-426-44723-9

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Die Zillertaler Alpen rund um das Krimmler Tauernhaus dienten Regina Denk als Inspiration. (Foto: Regina Denk)
Die Zillertaler Alpen rund um das Krimmler Tauernhaus dienten Regina Denk als Inspiration. (Foto: Regina Denk)

Fesselnd: Eine Lebensgeschichte wie ein spannender Krimi

Regina Denk erzählt auf mehreren Zeitebenen und aus verschiedenen Perspektiven. Ihre nicht lineare Erzählweise begeistert schnell. Als Leserin lerne ich Theres, Maria und die anderen Figuren durch Bruchstücke, Rückblenden und Erinnerungen kennen.

Regina Denk erklärt im Interview:

„Ich wollte eine spannende Geschichte erzählen, ein Memoir, das fesselt wie ein Krimi. Im echten Leben lernt man Menschen nicht linear kennen. Fragen klären sich durch Rückblicke und Einzelgeschichten, wie ein Puzzle, das sich nach und nach zusammensetzt.“

Neben den Erzählungen von Theres und Maria begleitet uns das Adlerweibchen. Die Autorin wählte es als „Allegorie auf die Unmöglichkeit von Freiheit“

„Wir wünschen uns, frei zu sein wie ein Adler, doch erkennen im Laufe der Geschichte: Auch er ist nicht frei.“

Diese Passagen sind wie Atemzüge zwischen den intensiven Kapiteln und zeigen eine bittere Wahrheit: Auch der Adler, Symbol der Freiheit, ist nicht so frei, wie wir denken.

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Schwarzgehen: Bedeutung und Herkunft

„Schwarzgehen“ ist ein regionaler Begriff an der bayerisch-österreichischen Grenze für Wilderei. Schwarz, weil die Gesetzesbrecher nachts agierten und sich Ruß ins Gesicht schmierten. Regina Denk nutzt diesen Begriff für alle, die Grenzen überschreiten und Gesetze brechen, besonders für Theres: „Die Schwarzgeherin“, die nicht Hausfrau und Mutter ist, sondern alleinerziehend und selbstbestimmt lebt.

Regina Denk Erzählstil: authentisch und einfühlsam

Regina Denk gelingt eine ungeschönte Erzählung, die uns gedanklich an den Ort der Geschehnisse entführt. Sie kennt die Tiroler Berge, die Täler, die Menschen dieser Region. 1981 an der bayerisch-österreichischen Grenze geboren, wurde ihr die Liebe zur Heimat und den Bergen in die Wiege gelegt. In jeder Zeile des Romans „Die Schwarzgeherin“ spürt man das.

Mit ihrer bildhaften und authentischen Sprache erschafft Regina Denk eine unmittelbare Atmosphäre und ich stelle mir vor, Theres beim Stapfen durch den Schnee zu den Kranken im Dorf zu begleiten oder Maria bei ihrer Flucht in den Wald zu folgen. Die Dialektfärbung fügt sich natürlich in den Text ein und lässt die Figuren lebendig werden, als würden sie unmittelbar zu mir sprechen. Besonders einprägsam fand ich folgendes Zitat:

„Freilich könnt’s sein …“, antwortete der Besucher und schob, ins eigene Grübeln versunken, mit seinem Hirschfänger ein Stück harten Käs über den Teller. „… aber meist is es nicht so, wie es sein könnt, sondern dann doch so, wie es is.“

Ich sehe den Besucher vor mir, wie er auf seinen Teller starrt und mit dem traditionellen Jagdmesser den Käse von links nach rechts schiebt. Er trägt einen Gamsbarthut und Lederhosen, hat einen Vollbart und rollt das R beim Sprechen. Die Geschichte kommt mit wenig wörtlicher Rede aus. Die Menschen sind wortkarg, und Regina Denk nutzt die Kunstsprache als Kontrast zu dem wenig tatsächlich Gesprochenen zwischen den Figuren.

Zeitlos aktuell

Obwohl die Geschichte vor über 100 Jahren spielt, ist sie erstaunlich aktuell. Theres‘ Kampf um Selbstbestimmung, ihr Wunsch, ihr Leben selbst zu gestalten, ihre Weigerung, sich den Erwartungen anderer zu beugen, das kennen wir alle. Was mich besonders berührt hat: Theres ist keine perfekte Heldin. Sie macht Fehler, ist manchmal hart, manchmal verbittert. Aber sie bleibt sich treu. Und ihre Tochter Maria? Die will genau das Gegenteil: Sicherheit, Geborgenheit, ein normales Leben. Im Gegensatz zu ihrer Mutter wünscht sich Maria „Haus und Hof“ und teilt den Wunsch nach Freiheit und Selbstbestimmtheit nicht.

Das Buch „Die Schwarzgeherin“ wird dir gefallen, wenn

… du die Alpen liebst, wenn du dich für starke Frauenfiguren interessierst, wenn du Romane magst, die unter die Haut gehen, dann ist „Die Schwarzgeherin“ genau das Richtige für dich. Es ist ein Roman, die nachhallt. Mich hat sie noch Tage nach dem Lesen beschäftigt. Sind wir wirklich nicht weiter als im 19. Jahrhundert? Oder zeigt uns diese Erzählung, dass nichts selbstverständlich ist und wir jeden Tag aufs Neue unsere Freiheit verhandeln müssen? Ich versank regelrecht in der Geschichte und war traurig, als sie zu Ende war, aber auch erleichtert, dass Theres ihren Frieden gefunden hat.

Mein Fazit

Regina Denk hat mit „Die Schwarzgeherin“ etwas Besonderes geschaffen: einen Roman, der die Schönheit und Härte des Lebens in den Bergen einfängt. Gleichzeitig erzählt sie eine Geschichte über Freiheit und den Preis, den Menschen dafür zahlen.

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Reisetipp zum Buch: Das Krimmler Tauernhaus

Inspiration für den Roman „Die Schwarzgeherin“ war ein Besuch des Krimmler Tauernhauses im Oberpinzgau. Im Interview erzählt die Autorin:

„Meine Familie ist sehr viel in den Bergen, vor allem in Tirol und Umgebung, bei unserem letzten Besuch am Krimmler Taurenhaus hab ich irgendwie gespürt, dass ich gern diese vielen alten Geschichten meiner Großmütter und deren Mütter verbinden würde, sie alle einte diese Suche nach Freiheit in einer sehr archaischen Männerwelt. Und irgendwann, mitten in der Nacht, war dann die Theres in meinem Schlafzimmer als alte Frau, sehr hart und sehr bitter und ich wusste: Die will von mir, dass ich rausfinde, warum sie so geworden ist. Da ging dann die Suche los, in mir und in ihr nach den Hintergründen.“

Das Krimmler Tauernhaus liegt strategisch günstig im Herzen des Krimmler Achentals und ist im Sommer zu Fuß, mit dem Mountainbike oder mit dem Nationalparktaxi erreichbar.

Die Zillertaler Alpen dienten Regina Denk als Inspiration. (Foto: Regina Denk)
Die Zillertaler Alpen dienten Regina Denk als Inspiration. (Foto: Regina Denk)

Über das Krimmler Tauernhaus

Erstmals 1389 urkundlich erwähnt, diente das Haus jahrhundertelang als wichtige Raststation für Säumer (Transporteur mit Maultier, Esel oder Pferd), Handwerker und Reisende auf dem Nord-Süd-Handelsweg über die Alpen. Im 19. Jahrhundert wandelte es sich mit dem aufkommenden Alpintourismus zu einer beliebten Einkehr für Bergsteiger und Sommerfrischler.

Seit 1906 ist das Krimmler Tauernhaus im Besitz der Familie Geisler, die es kontinuierlich modernisiert und ausgebaut hat. Simon Geisler, der es zu einem prächtigen Gasthaus umgestaltete, übergab das Erbe an seine Nachkommen, die während des Zweiten Weltkriegs jüdische Flüchtlinge versorgten.

Seit 1999 betreiben Friedl und Gundi Geisler das historische Schutzhaus als einzigen Bauernhof im Nationalpark Hohe Tauern und bieten dort modernen Komfort sowie regionale Küche.

Wanderziele in den Zillertaler Alpen und den Krimmler Tauern

Das Krimmler Tauernhaus und die umliegenden Hütten wie die Warnsdorfer Hütte (2.336 m) oder Richter Hütte sind ideale Ausgangspunkte für Bergtouren in die westlich gelegenen Zillertaler Alpen, die östliche Venedigergruppe sowie in die höher gelegenen Seitentäler Rainbachtal und Windbachtal.

• Krimmler Tauernhaus im Krimmler Achental, 5743 Krimml – Google Maps

• Warnsdorfer Hütte im Krimmler Achental, 5743 Krimml – Google Maps

• Richter Hütte, 5743, Krimml – Google Maps

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Valerie Wagner

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