Salzburg. Säcklerei Jahn Markl. Gold auf Grün weist eine verschnörkelte Schrift am Salzburger Residenzplatz auf den kleinen Laden hin. In der Tür zum Seiteneingang baumelt ein Pappschild mit den Öffnungszeiten. Es hängt schon länger. Das sieht man. Im Schaufenster sind Lederhosen, Trachten, Hüte, Taschen und Blusen dekoriert, gemischt mit Blumen und Preisschildern.
Über den Auslagen prangt ein mächtiges Schild: SPEZIALHAUS für Wildlederbekleidung und Trachten. Was es hier wohl gibt?
Hirschleder, Hornknöpfe und Handstiche – Handwerk mit Tradition
Beim Betreten des Ladens werde ich von einer freundlich lächelnden Dame begrüßt. Vor deckenhohen Regalen mit Lederbekleidung, Socken und allerlei Zubehör steht Frau Jenner. Sie ist die Inhaberin und führt den Laden Ihrer Vorfahren seit 1999 mit viel Herzblut.
„Was möchten Sie sehen?“ fragt Frau Jenner. Mit Trachten bin ich kaum vertraut. Ob es etwas Unverwechselbares gibt, möchte ich wissen. Irgendetwas woran der Salzburger erkennbar ist. Fragen, die man stellt, um ins Gespräch zu kommen. Unsere Warmlaufphase ist kurz. Die munter plaudernde Frau Jenner legt sofort den ganzen Tresen voller Lederhosen und Socken. Weist auf die Wölbungen in der Stickerei hin und auf die Form der Leisten, auf Bünde und auf Einfassungen. Und darauf, dass eine Wade in die zugehörigen Socken eingestrickt ist, wenn es vernünftig gemacht wurde. Das muss man auch erst einmal wissen.
„Erkennen Sie den Unterschied zwischen einer Hand- und einer Maschinenstickerei?“ Sie schaut mich neugierig an. Na klar. Ich bin Schneiderin von Beruf. Die handgestickten Details sind unverwechselbar.
Sie erklärt, dass die Salzburger Tracht mit Weiß abgesetzt wird, dass die Leisten spitz enden und im Rücken eine Tellernaht über dem Po verläuft. Die Ausseer Lederhose, die daneben liegt, ist grün verziert. Wunderbare Stickereien auf feinem Wildleder sind zu sehen. Florale Muster, handgestochene Knopflöcher, Hornknöpfe und tolle Schnürungen. Das Leder fühlt sich weich an. Fast bin ich neidisch, dass dieses Kleidungsstück nur von Männern getragen wird. Wie sich herausstellt, ist das Unfug. Auch Frauen können hier eine Lederhose bekommen.
Dann legt Frau Jenner blaue Stutzen und eine hellbeige Unterhose aus Wildleder dazu. Blaue Stutzen gehören zur Salzburger Tracht. Aber die Unterhose aus Leder? Sowas tragen die darunter? Ich bin skeptisch. Hoffentlich muss ich in Zukunft nicht bei jedem Lederhosenträger daran denken.
Eine Trachtenbundhose aus biologisch gegerbten Leder hat die Felle von zwei Hirschen nötig. Das klingt brutal viel, ist aber bei genauer Betrachtung halb so dramatisch. Die verarbeiteten Felle müssen strapazierfähig sein. Dafür braucht man das Mittelstück. Die Reste taugen für die zahlreichen Accessoires und Kleinteile. Wer erst einmal eine besitzt, vererbt sie. Die Lederhose ist bei guter Verarbeitung langlebig, heute kann man es nachhaltig nennen und was ich besonders mag: sie ist ein Stück Zeitgeschichte.
Jahn Markl fertigt noch heute im eigenen Atelier Mode auf Maß für alle Anlässe: festliche Modelle und eher robuste für Arbeit, Jagd und Freizeit. Dicke Wollsocken, hand- oder maschinengestrickt werden in passenden Farben zu den Lederhosen kombiniert. Derbes Schuhwerk, Hemden und Janker gehören dazu. Was sich in diesem kleinen Laden alles versteckt ist schier unglaublich. Wer es farbenfroh mag, kann sich vom grauen Einerlei der Anzugträger abheben. Und die Kunden sind jung und alt.
Jahn Markl – Wildlederspezialist und Trachtenausstatter mit Geschichte
Geht man ein wenig zurück in der Zeit, erfährt man dass dieser Laden Hof- und Kammerlieferant war. Leuchtende Farben und edelste Materialien tauchen vor meinem inneren Auge auf. Nach abgetragenen Hosen klingt das nicht. Ein Irrtum.
Frau Jenner zeigt mir einen Lederhosenton mit Patina. Es ist das Salzburger Altschwarz, welches Ihre Vorfahren eigens für Kaiser Franz Josef entwickelt haben. Der nämlich trug Trachten und Lederbekleidung von Jahn Markl über Jahre hinweg und ließ sich neue Lederhosen immer von einem Burschen eintragen. Erst als die Hose die ersten Gebrauchsspuren zeigte, übernahm er sie in seine Garderobe. Und um diesen Prozess zu umgehen, entwickelten die Markls das Salzburger Altschwarz. Ein Leder, eingefärbt, als ob es schon getragen wäre. So trägt man es noch heute und so ist es angeblich nach wie vor nur hier in diesem Geschäft zu bekommen. Ein Brief mit Foto weist auf den Ursprung hin. Die Lederhose von damals, existiert noch heute.
An der prominenten Kundschaft hat sich über die Jahre nicht viel geändert. So unscheinbar und bescheiden der Laden wirkt: die Liste der namhaften Kunden ist riesig.
Adlige gehören dazu und Künstler: Picasso, Herbert von Karajan und Marlene Dietrich. Auch Karl Lagerfeld und Luis Vuitton stehen im Gästebuch.
Aber das besondere ist wohl, dass sie nicht die einzigen sind und jeder der in Salzburg zu Besuch ist, kann Teil der großen Jahn-Markl-Lederhosen-Familie werden. Man muss es nur wollen!
Hauspatschen und Hosenlatz-Geheimnisse – Hinter den Kulissen
Ich sehe mich im Laden um. Überall gibt es etwas zu entdecken. Ganz unten in den Regalen stehen seltsame Taschen mit Leder-Hauspatschen. Frau Jenner lacht. „Das kann ich Ihnen erklären.“ Ein Kunde sei Jahr für Jahr zum Kaufen gekommen. Jedes Jahr bestellte er neue Hauspatschen. Stets das gleiche Modell, die gleiche Größe. Das war ungewöhnlich. Denn die Patschen waren aus derben Leder genäht und galten als nahezu unverwüstlich. Auf die Wiederholungen angesprochen, stellte sich heraus, dass der Hund des Kunden Jahr für Jahr Gefallen an den Schuhen gefunden hatte. Das Leder roch wunderbar und als Beißleder waren sie einfach unglaublich gut. Schlecht nur für das Herrchen, der so ständig ohne geeignetes Schuhwerk dastand.
Frau Jenner entwarf Taschen für die Wand.Die Patschen konnten nun an einem sicheren Ort auf das Tragen warten. Wie der Hund das fand, ist nicht überliefert… :)
Lustig wird es immer, wenn Frau Jenner aus dem Nähkästchen plaudert. Hättet Ihr beispielsweise gewusst, dass es Männer gibt, die die Namen Ihrer Liebsten auf die Innenseite des Hosenlatzes schreiben? Wie es sich auswirkt, wenn die Hose dann zur Hochzeit getragen werden soll, dass lässt man sich am besten vor Ort erzählen. Ich jedenfalls habe Tränen gelacht!
Kurz bevor ich endlich gehen will, fällt mein Blick auf eine blauen Wildleder-Hut in den Auslagen. „Das ist mein Europa-Hut!“ sagt sie trocken. Was soll denn das nun schon wieder heißen?
Stolz erklärt sie mir, das Europa-Patent auf diesen Knautschhut zu besitzen. Sie nimmt ihn in die Hand, rollt ihn zusammen und schüttelt ihn wieder auseinander: „Hier, unverändert in der Form. Das ist doch toll? Werden Sie so so leicht nicht wieder finden. Den gibt es so nur bei mir. Waschbar, knautschfest und leicht in einen kleinen Beutel zu stecken.“ Ich muss schmunzeln, setze den Hut auf und stelle fest: Der steht mir.
Was ihn ausmacht ist schnell erklärt. Die Lederhosenproduzentin hatte an einem regenreichen Tag im Café Tomaselli gleich um die Ecke einen Kaffee trinken wollen. Als es ungemütlich wurde, wechselte sie in den Innenraum. Ihren Hut konnte sie nicht abnehmen , da an der Stirn eine fette rote Linie prangte: Die Hutschnur im Inneren hatte sich fest abgezeichnet. Fürchterlich soll es ausgesehen haben.
Also musste Abhilfe her. Aus feinem Wildleder wurde ein leichter Hut genäht, innen weich gefüttert, wasserabweisend und leicht zu transportieren. Die Form kam an und so meldete sie das Patent an. Die Hüte kann man heute in allen Farben kaufen. Es ist ihr Europa- Hut. Einen richtigen Namen gibt’s nicht.
Zurück in Hamburg erzähle ich meiner Mutter davon: „Ich meine, ich habe auch einen gekauft. Damals als ich in Salzburg war…“
Ich lache noch immer…
Info
Jahn-Markl
Residenzplatz 3
5020 SALZBURG / Austria
http://www.jahn-markl.at/
+43 662 842 610
office@jahn-markl.at
Ich hab die Auslagen des Ladens schon einmal betrachtet.
Nachdem ich das hier gelesen habe, gehe ich beim nächsten Salzburgbesuch rein.
Reinhard
Freut mich zu lesen! Und berichte doch einmal, ob es Dir gefallen hat!
Zu den Lederhosen trägt man doch die gestrickten Stutzen. Das verhüllt das behaarte Männerbein :)
Wunderbare Geschichte aus der Lederhosenszene! Das tröstet mich über den elterlichen Zwang als Schulbub eine Lederhose zu tragen, sobald man sich im beginnenden Frühling nicht mehr die Knie blau fror. Trotzdem habe ich mich immer zu Tode geschämt und bin deshalb heute noch ein strikter Gegner kurzer Hosen für Männer – die hässlichen behaarten Beine anzusehen ist optische Umweltverschmutzung. Ob Leder oder nicht! Solange die Liebste ihren Namen nicht selber in die Hosenklappe geschrieben hat, kann die Braut ja eigentlich nichts dagegen haben – vor allem dann nicht, wenn es ihr eigener Name ist. Ich rate zum neutralen Chérie, Kätzchen oder Süße. Oder der Ausrede, der Butler musste die Hose eintragen.
Andreas