Bun Prò ist ladinisch und bedeutet Guten Appetit. Nur etwa 30.000 Personen im Gadertal, Grödnertal, in Ampezzo, dem Fassatal und einigen Teilen der Schweiz sprechen diese Sprache. Der Südtiroler Koch Andrea Irsara ist einer von ihnen. Darum steht über der Karte im Stüa dla Lâ nicht Menü sondern …DA CËNA…
Das Gourmet-Restaurant Stüa dla Lâ, bestehend aus drei Tischen in einer ladinischen Stube stellt das Herzstück des unter seiner Regie geführten Familienhotels „Gran Ander“ in Alta Badia dar. Die Tische sind rar. Wer das Glück hat einen Platz zu reservieren, wird beneidet.
Badia Alta Badia – Dolomiten – Südtirol
Offenlegung: Ins Stüa dla Lâ war ich im Rahmen einer Recherche eingeladen.

Im Gespräch gibt Andrea Irsara an, mit zwei bis drei Stunden Schlaf in der Nacht auszukommen. Das lässt sich schwer prüfen. Sicher ist, dass der Südtiroler Koch aus einer Familendynastie in Alta Badia viel gute Laune auf Mitarbeiter und Gäste überträgt. Bei einem Besuch im Stüa dla Lâ im Sommer 2019 konnte ich mich selbst davon überzeugen.
Den Heiligkreuzkofel im Blick
Unser Abend beginnt auf der Terrasse vor dem Haus. Die Sonne verabschiedet sich mit einem großen Finale am Heiligkreuzkofel, hier „Sas dla Crusc“ geannt. Andrea Irsara steht am Pizzaofen auf der Terrasse. Er klopft sich die mehligen Hände an einer Schürze ab und verteilt frisch gebackene Pizzafladen. Es ist Dinnertime im Gran Ander und mit einem Apero in der Hand bereiten sich die Gäste auf das Abendessen vor. Ein kurzer Plausch hier, den Jungköchen ein paar Anweisungen geben, kurz in den Ofen schauen und zwischenzeitlich ein paar Fotos schießen: Was anderen die Schweißperlen auf die Stirn treibt: Andrea Isara steckt es scheinbar locker weg.
Begleitet werde ich von → Uta Radakovich, einer Südtirol-Expertin der IDM und neben dem Deutschen und Italienischen, auch dem Ladinischen mächtig. Das hat einige Vorteile, denn so kann ich mir zwischendrin den einen oder andern für mich unverständlichen Begriff von ihr erklären lassen.
Für uns ist ein Tisch im heißbegehrten Stüa dla Lâ reserviert. Die niedrige Stube im ladinischen Stil existierte schon, als noch der Vater von Andrea die Zügel in der Hand hielt: Germano Irsara. Sein Geist prägt noch heute die Geschäfte des Hauses.
Gran Ander ist Ladinisch und bedeutet „große Höhle”. Er erinnert an eine Höhle auf dem Berg Gardenacia, der das Hotel dominiert.
Überhaupt, die Familie. Sie spielt, das wird vom ersten Moment an deutlich, eine große Rolle im Haus Gran Ander. Von der Nonna Rita, die die Gäste vor dem Abendessen begrüßt, über Andreas Frau Evelyn, die serviert, bis zu den drei Kindern, die in den Erzählungen des Ladiners immer wieder eine Rolle spielen.
Drei Tische in einer Holzstube aus dem 18. Jahrhundert
In der Stube sind frisches Wasser von der Plose, Blumen und Grissini eingedeckt. Nur drei Tische hat das Restaurant. Während unseres Besuches sind sie mit maximal drei Personen besetzt.
Weil Andrea Irsara und sein Team eng zusammenarbeiten, schwärmt immer wieder ein kleiner Trupp herein, um den jeweils nächsten Gang des vier- bis sechsgängigen Menüs zu servieren. Jedes Gericht wird erklärt, überflüssiger Zauber mit Servierglocken und dergleichen findet nicht statt.
Das Menü wird seit 2013 jede Woche neu kreiert. Ideen für neue Gerichte, die durch die Aromen und Zutaten aus der Region geprägt sind, kommen Andrea bei Spaziergängen im Wald oder im Zusammenleben und Arbeiten mit seiner Familie und seinem Team. Weil Drucken sich nicht lohnt, liegen handgeschriebene Zettel auf den Plätzen. Die gelochte Abreißkante am unteren Rand unterstreicht ein Gefühl von: „Das haben wir für Dich geschrieben“.

Unser Abend startet mit einem Gruß aus der Küche: Gin Tonic und Latschenkiefer vereinen sich zu einem zartgelben Trüffel, der auf Latschenkieferzweigen und mit einem Nebel aus Trockeneis serviert wird.

Wir schlemmen uns durch dreierlei Vorspeisen, gefolgt von einer Piadina mit Kapernemulsion und wilden Kräutern. Dann Jakobsmuschel. Diese liegt auf schwarzem Blumenkohl. Die dunkle Farbe kommt vom Fermentieren und ich mutmaße, dass sie mit Andreas Ausflügen in die japanische Küche zusammenhängen. Auch einige japanische Köche arbeiten im Gran Ander.
Genauigkeit ist eine Eigenschaft, die Andrea Irsara sehr zu schätzen weiß.
Nach Kartoffelteig mit Perlhuhn und Kalbsbries auf einem Wildkräuterspiegel werden wir mit Risotto verwöhnt. Das darüber geraspelte gelbe „Etwas“ ist ein in Zucker und Salz eingelegtes Eigelb, welches über mehrere Tage getrocknet und letztlich noch geräuchert wird. Köstlich!
Mit einem Steinbutt, in einem Tee aus Kräutern gegart und dreierlei Cremes aus Tomaten, Erbsen und Auberginen beenden wir die herzhaften Gänge. (Die abnehmende Qualität meiner Aufnahmen ist den Getränken geschuldet.)
Für mich bleibt das Essen im Stüa dla Lâ vor allem wegen des großartigen Finales in Erinnerung. Das Dessert aus Soufflé, Creme Catalan auf Sellerieeis und Choco Yaki macht glücklich. Die absolute Geschmacksexplosion erlebe ich jedoch bei der Zuckerwatte mit thailändischem Pfeffer, die wir an einem Baumwollzweig auf den Tisch gestellt bekommen.
Noch eine Weile plaudern, dann leert sich die Stube. Das Stüa dla Lâ erfüllt alle Voraussetzungen, um niemals vergessen zu werden.
TIPP: Im Sommer 2020 kann man Alta Badia mit ladinischen Botschaftern wie ein Einheimischer erleben. Auch Koch Andrea Irsara ist mit drei Kräuterwanderungen dabei.
