maria bad gastein

Erschreckend schön: Bad Gastein

d31831ce8f624e369f42a1c4e07e2454Vor einem Jahr war ich anlässlich des Symposiums „Anständig essen“ im Gasteinertal. Der Winter war fast vorüber, aber das Grün der Bäume ließ noch auf sich warten. Ich besuchte den Gasteiner Heilstollen, der mich begeisterte und den ich wieder besuchen möchte und schaute mich um. Das Montan-Museum Alt-Böckstein war einer der Höhepunkte des Tals, die ich damals vorstellte.

Über einen Ort jedoch schrieb ich nichts, obwohl er wie kein anderer von zentraler Bedeutung für dieses Tal ist: Bad Gastein. Mir fehlten die passenden Worte. Auch wusste ich nicht, ob ich es überhaupt zeigen wollte. Der Besuch des Ortes, ein kurzer Spaziergang durch die frühlingshaften Gassen hatten mich nachdenklich gestimmt. Darf man einen dem Verfall preisgegebenen Ortskern in einer ansonsten gut intakten Ferienumgebung zeigen?

Blick auf Bad Gastein

Der Glanz vergangener Tage – Bad Gastein

Es war ein Sonntag, als ich noch ein wenig Zeit zum vertrödeln in Bad Gastein hatte. Der Taxifahrer hatte mich weit oberhalb des Ortskerns abgesetzt. Die Aussicht auf das Tal, welches immer wieder zwischen den Häusern hervor blitzte war schön, wenn auch verhangen. Auf den Gipfeln rundherum war der Winter längst noch nicht gegangen.

Beschäftigt hatte ich mich nie mit Bad Gastein. Vom Kurbetrieb des Ortes hatte ich gelesen, irgendwas mit Monte-Carlo der Alpen und irgendwie verband ich eine längst abgetretene Prominenz und vergilbte Kur-Café-Atmosphäre damit.

Mich verwunderte die Reaktion des Taxifahrers beim aussteigen: „Sind Sie ganz sicher, dass Sie nicht in das Hotel gefahren werden wollen. Hier möchte eigentlich niemand hinaus.“  Was wollte er mir damit sagen? Ich wurde neugierig.

Bad Gastein

Ein Spaziergang durch den Ort

Die Gassen waren leer und fielen Richtung Ortskern zunächst steil ab. Ohne Ortskenntnis hatte ich kein Ziel, sondern lief im Zickzack mal rechts, mal links. Immer wieder fielen Leerstände auf, die sich mit Hotels und Geschäften mischten. Teilweise reizte ein verstaubter Charme, teilweise wirkten die Gebäude verfallen und traurig. Ich konnte nicht ergründen, wieso dieser Ort einmal so legendär gewesen sein sollte. Übrig war davon auf den ersten Blick wenig.

Bad Gasteiner Architektur

Unten im Zentrum war ein einziges Café geöffnet. Es war auch das einzige, was ich überhaupt fand. Fast wäre ich hineingegangen, weil der Ort nichts weiter zu bieten schien, aber dann spazierte ich weiter.

Nun entdeckte ich das eigentliche Bad Gastein, jenes dass durch einen Jahrzehnte dauernden Kurbetrieb zu großer Berühmtheit aufgestiegen war. Das Gastein, welches Prominenz aus aller Herren Länder beherbergt hatte, über das man in Büchern las und welches nun durch rücksichtslose Interessen von Spekulanten einem gnadenlosen Verfall preisgegeben war.

Zentrum Bad Gastein

Ich bummelte vorbei an von Bauzäunen verstellten Fassaden mit den Fotos aus längst vergangenen Zeiten – Adlige waren hier gewesen, hochrangige Industrielle und natürlich jede Menge Stars und Sternchen aus der jüngeren Geschichte. Überall hingen Schilder mit „Durchgang verboten“ – der Verfall des Ortes war offensichtlich. Eine verstaubte Eleganz hing über allem und die Vorstellung, dass dies hier einmal einer der begehrtesten Kurorte der Alpen gewesen sein sollte, lag ungreifbar fern.

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Ungestüme Natur – Der Wasserfall von Bad Gastein

Am Wasserfall machte ich Halt. Das laute Tosen des Wassers, was hier in drei Stufen 341 m ins Tal hinabdonnert und durch die Zerstäubung negativ ionisierte Luft produziert, war beeindruckend. Der Wasserfall hatte die Zeit überdauert und nichts von seinem Glanz verloren. Er rauschte wie eh und je und weil die Sonne schien, glitzerte er wunderschön und zog mich in seinen Bann, so wie er es wohl seit jeher mit den Gästen gemacht hatte. Für heute war meine Zeit um. Der Taxifahrer wartete auf mich. Ich stieg ein und fuhr davon. Was ich mit diesen Eindrücken anfangen sollte – ich wusste es nicht.

Wasserfall Bad Gastein

Ein Film, eine Geschichte und eine große Sehnsucht

Monate sind vergangen. Durch einen Zufall werde ich erneut aufmerksam auf Bad Gastein – diesmal in einem völlig anderem Zusammenhang. Der Kinofilm „Die Frau in Gold“ zeigt ein Gemälde von Gustav Klimt mit der jüdischen Adele Bloch-Bauer. Die rechtmässige Erbin des Gemäldes, ihre Nichte Maria Altmann, lebt in Los Angeles, von wo aus sie einen langwierigen und letztlich erfolgreichen Rechtsstreit um das Gemälde mit Österreich führt. Das Gemälde geht in ihren Besitz zurück, ein Schmuckstück, welches die Tante auf dem Gemälde trägt und an welches Maria Erinnerungen knüpft, nicht. Letzte Erwähnungen bestätigen, dass dieses Schmuckstück an die Ehefrau eines Nazi-Verbrechers übergeben wurde. Danach verliert sich die Spur.

Ich forsche nach und stosse über die Suche nach diesem Schmuckstück auf den Ort Gastein. Hier findet sich der Name der unrechtmäßigen Besitzerin in ungewöhnlich blumiger Formulierung auf der Liste berühmter Gäste wieder. Ich reagiere mit Entsetzen. Eine Erklärung, weshalb man dieser Person hier einen derartigen Stellenwert einräumt, kann ich nicht finden. Das einzige was mir einfällt: eine Nachfrage beim Gasteinertal Tourismus. Und nun passiert etwas ungewöhnliches: Die Antwort und die Bitte um eine Entschuldigung folgen prompt. Die Liste, auf die ich gestossen bin, ist zwar nicht mehr über die reguläre Tourismusseite des Kurortes erreichbar, dennoch bestand sie fort. Aber statt sie nur zu löschen, recherchiert der Geschäftsführer des Gasteinertals nun so lange nach den Ursachen und Quellen, bis er sie einwandfrei ausfindig gemacht hat. Mit einem Screenshot, einem Dank fürs aufmerksam machen und guten Wünschen endet unser Mailkontakt im Dezember 2015. Ich bin beeindruckt.

Selten genug ist es, dass sich jemand nachhaltig dafür einsetzt, Missstände im Netz aufzuklären. Mir hat die Reaktion und Genauigkeit gefallen und gleichzeitig hat es mich neugierig gemacht auf die Geschichte. Interessante, kultivierte Gäste haben diese Kurort in all den Jahren besucht. Welche Spuren haben sie hinterlassen? Wie wirkt sich das heute auf den Geist des Ortes aus? Hat Bad Gastein das „vergessen werden“ verdient? Ich glaube nicht. Zahlreiche Berichte und Bilder, die ich im Nachhinein über den Ort fand, bestätigen das Gegenteil.

Ottermesser Apfel Gasteinertal


Der Kur- und Wintersportort Bad Gastein gehört zu den Nationalparkgemeinden des Nationalparks Hohe Tauern und befindet sich am Fuß des Graukogels auf ca. 1.000 m.

Im Februar 2016 lief „Das Dorf des Schweigens“ mit wunderschönen Landschaftsaufnahmen und einer spannenden, wenngleich für meinen Geschmack zeitweise langatmigen Geschichte.

Reizvolle Hotels in Bad Gastein sind das Haus Hirt, Hotel Miramonte und Das Regina. Wer nach Hofgastein ausweicht, dem empfehle ich das wunderschöne „Das Goldberg“ – Blick über das Tal Richtung Gastein, wie auf dem Foto unten. 

Blick Richtung Bad Gastein

Charis

7 Kommentare zu “Erschreckend schön: Bad Gastein

  1. Hier auch ein paar Bilder mit Schnee als ich im Winter dort war, war wirklich sehr schön.

  2. Regine Sch.

    Wunderbar beschrieben. Ein großes Kompliment an Sie Frau Stank!

  3. Margit Liebmann

    Hallo,bin durch Zufall auf Ihr Portal gekommen, weil ich ein Rezept suchte : Pampelmusen zu kandieren. Als jetzt auch Ihre Bücher sah, bekam ich Heimweh. Bin seit 1980 hier in Deutschland.
    Komme aus Salzburg. Schön, guter Text und und Bilder von der Heimat. Ich versuchte das Buch zu bestellen : “ Und rührs ein pahr Vatter Unßer lang “
    leider habe ich bis jetzt noch keinen Erfolg. Ich bleibe Ihrer Seite treu. Margit L.

  4. Veronika

    Liest sich interessant. Wir werden im Sommer da sein.

  5. Schöner Text. Ich war vor Jahren mal da.
    Könnte man glatt mal wieder wagen.
    P.M.

  6. Im Film „Dorf des Schweigens“ waren die besten Szenen die Aufnahmen von Bad Gastein. Es ist lange her, dass ich dort einmal Winterferien gemacht habe und den langsam einsetzenden Tod die Geisterstadt Bad Gastein handgreiflich erleben durfte. Die Stadt ist zum Paradigma der Zertstörungen durch den Tourismus geworden. Spuren davon finden sich auch in den leeren Hüllen der ehemaligen Grandhotels einer großbürgerlichen und adeligen Gästeschicht aus der Zeit vor 1914 in Südtirol. Wenn es ein Kurort aus jener Zeit einigermaßen wieder geschafft hat, dann ist es wohl Meran, das nach einer langen Periode als deutschsprachiger Rentnerfriedhof sich allmählich in eine Kultur- und Kunststadt verwandelt. Vom Publikum des heutigen Tourismus kann man jedoch nicht mehr verlangen als das, was in jeder Fußgängerzone am konsumfreudigen Samstag so aufläuft. Ob Bad Gastein ein ähnliches Kulturprogramm schafft ist wohl unwahrscheinlich – es wird wohl das traurige „Dorf des Schweigens“ bleiben.
    Andreas

  7. Sehr schön beschrieben. Toll.

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